Rückblick: Internationale Konferenz 2022

Unser Programmjahr 2021/22 endete offiziell mit der Internationalen Konferenz 2022 in Berlin (16.–19. Juni). Es war das erste Programmjahr seit Beginn der Pandemie, in dem wir uns wieder fast ausschließlich persönlich begegnen konnten. Nachdem wir uns zuerst beim Herbstseminar im Oktober 2021 in Potsdam und dann beim Frühjahrsseminar im März in Luxemburg getroffen hatten, freuten wir uns sehr, unseren Teilnehmer*innen in Berlin zu begegnen und dort Raum für Reflexion, Diskussion, Vernetzung sowie für privaten und wissenschaftlichen Austausch zu bieten. Innerhalb von drei Tagen Dialog und intensiver Arbeit vertieften unsere Teilnehmer*innen ihre Netzwerke und Freundschaften, die sie seit letztem Herbst aufgebaut hatten, sodass viele von ihnen die Dialogperspektiven auch im nächsten Programmjahr weiter begleiten wollen.

Nach der offiziellen Begrüßung und Einführung ins Programm am ersten Tag (16. Juni) durch die Programmleiterin Johanna Korneli und die Projektreferentin des Programms Rachel de Boor lud Kristina Schneider aus unserem erweiterten Team zur Warm-up-Session mit dem Titel „Mapping DialoguePerspectives“ ein.

Am Ende des ersten Tages präsentierten Teilnehmer*innen in einer Recap-Session zu den Workshops vom Herbstseminar 2021 die Themen und Diskussionen, die dort in Workshops unter Leitung von Dr. Cátia Severino, Melina Borčak, Prof. Dr. Frederk Musall und Dr. Alexander Graeff zu verschiedenen Aspekten der europäischen Erinnerungskultur(en), behandelt worden waren.

Unser zweiter Konferenztag (17. Juni) begann mit einer morgendlichen Runde, in der die Teilnehmer*innen Zeit hatten, zusammen mit den religiös-weltanschaulichen Begleiter*innen Teile ihrer religiösen Praxis für die kommenden Tage vorzubereiten, und insbesondere über die Rolle der weltanschaulichen Praxis im Rahmen des Seminars zu sprechen. Einmal mehr wurde deutlich, wie vielfältig die Gruppen sind, auch innerhalb religiöser Gruppen, und wie wertvoll eine Diskussion über unterschiedliche Praktiken, Bedürfnisse und Gedankenansätze in diesem spezifischen Umfeld sein kann.

In der zweiten Session am Vormittag wurden die Teilnehmer*innen dazu eingeladen, die Weiterentwicklung der religiös-weltanschaulichen Praxis des Seminars mitzugestalten. Unter der Leitung von Maximiliane Linde und Rachel de Boor erhielten die Teilnehmer*innen einige Leitfragen und wurden dazu ermutigt, eigene Themen, Anregungen und Fragen vorzubringen. In dieser Session zeigte sich erneut die grundsätzliche Bedeutung religiöser Praxis, und die Gruppe formulierte einige Fragen zur Vertiefung der Diskussion: Wie kann eine Praxis so entwickelt werden, dass sie nicht ausschließlich einen performativen Charakter hat? Wie kann die Pluralität innerhalb verschiedener Religionsgemeinschaften sichtbar gemacht und wertgeschätzt werden? Wie können Personen aus einer Minderheit innerhalb einer Religionsgemeinschaft an einer bestimmten Praxis teilnehmen? Und wie könnten Positionen nichtreligiöser oder säkularer Teilnehmer*innen Teil einer gemeinsamen Praxis werden? Hier wurde der große Wert erkennbar, den dieser Verhandlungs- und Diskussionsprozess für die gemeinsame Arbeit an DialogPerspektiven hat.

Freitagmittag haben unsere muslimischen Teilnehmer*innen üblicherweise die Möglichkeit, das Freitagsgebet mit uns gemeinsam zu begehen. Dies wurde von Teilnehmer*innen in Begleitung von Nour al-Huda Schröter trotz enorm kurzer Vorbereitungszeit perfekt umgesetzt, nicht zuletzt dank Hicham Rhannan, selbst Teilnehmer, der erstmals die als Khutbah bezeichnete öffentliche Predigt übernahm. Er sprach Fragen des Klimawandels, der Nachhaltigkeit und der menschlichen Verantwortung für den Planeten im Kontext des Islam an und fokussierte sich damit nicht nur auf die Themen als solche, sondern zeigte die Bedeutung einer religiösen Grundlage für diese Fragen – ein Zusammenhang, der in der öffentlichen Wahrnehmung des Islam kaum auftaucht.

Am Nachmittag kamen in informeller aber reflektierender Atmosphäre die Team- und Workshopleiter*innen mit Teilnehmer*innen in kleineren Gruppen für verschiedene Aktivitäten zusammen, etwa in einer Session über Strategien und Kampagnen für Social Media mit Katja Sigutina, einem Rundgang durch den Volkspark Friedrichshain zum gemeinsamen Nachdenken über die Manifestation und Neuinterpretation von Erinnerungen mit Adrian Fiedler, einem Besuch im Büro von DialogPerspektiven Berlin oder einer Erkundung religiöser und kultureller Sehenswürdigkeiten in Berlin-Weißensee mit Dr. Alexander Graeff. Anschließend wurden die Teilnehmer*innen eingeladen, sich bei einem eigenständigen Spaziergang über Narrative und Hinterlassenschaften aus Vergangenheit und Gegenwart in Berlin auszutauschen.

Einen Höhepunkt der Konferenz bildete die Abendveranstaltung am Freitag mit DialogPerspektiven-Alumni*ae verschiedener Generationen und Gästen im Europäischen Haus, der offiziellen Vertretung der Europäischen Kommission in Deutschland. Zur Podiumsdiskussion „Towards A Pluralistic Culture of Remembrance in Europe: Visions, Ideas and new Approaches for European Societies“ durften wir auch Stefan Delfs, Leiter der Abteilung „Hochschulen, Wissenschaft und Forschung“ im Auswärtigen Amt, zu einem Abschlussvortrag begrüßen. Nach einem Grußwort von Nikolaus von Peter (Vertretung der Europäischen Kommission in Deutschland) und einer Einführung von Johanna Korneli präsentierten Melina Borčak, Frederek Musall, Cátia Severino und Sarah Grandke Eindrücke und Ergebnisse aus ihrer gemeinsamen Arbeit während des Programmjahres und diskutierten Ideen und Visionen für eine pluralistische europäische Erinnerungskultur. Zur Strukturierung des Gesprächs und als Rahmen für das an der Diskussion beteiligte Publikum identifizierten sie vier für die Gedenk- und Erinnerungskultur besonders wichtige Hauptbereiche: „Artikulationen & Sprache“, „Manifestationen & Darstellungen“, „Aussprechen des Unsagbaren“ und „Polyphonie & Multidirektionalität“. Während einer aktiven Pause diskutierte das Publikum diese Themen in kleineren Gruppen und tauschte grundlegende Gedanken und Ergebnisse mit dem Panel sowie untereinander aus. Diese Beiträge machten nicht nur die große Vielfalt an Perspektiven und Kompetenzen unter den Teilnehmer*innen sichtbar, sondern auch die Ideen und Konzepte für sowie Erwartungen an eine pluralistischere Erinnerungskultur, die während des Programmjahres entwickelt worden waren. Es wurde sehr deutlich, dass unsere Teilnehmer*innen, dass Ihr, in Eurer Verschiedenheit, mit der Vielfalt Eurer Stimmen, Perspektiven und Kompetenzen, und mit Euren zahlreichen Momenten der Erinnerung, verteilt in ganz Europa und darüber hinaus, entscheidend zu einer solchen Diversifizierung der europäischen Erinnerungskultur beitragt.
Für seinen abschließenden Vortrag berücksichtigte Stefan Delfs sowohl biografische Bezüge als auch die institutionelle Perspektive seines Amtes für das Thema und unterstrich, wie bedeutend die Pluralisierung von Erinnerungskulturen auf europäischer Ebene für das Auswärtige Amt ist. Wir beendeten den Abend mit dem Kabbalat Schabbat unter der Leitung von DialogPerspektiven-Alumna und Rabbinatsstudentin Helene Shani Braun.

Der Samstag (18. Juni) war unseren Teilnehmer*innen mit ihren Projekten und Beiträgen gewidmet, die einen partizipativen und kreativen Arbeitsraum schufen, der auch für Alumni*ae offen war. In Formaten wie einem Barcamp wurden Themen wie das Phänomen des „geheimen“ Konservatismus und die Praxis von Kunst als Form der Reflexion über Erinnerung und Repräsentation behandelt, und es gab einen wissenschaftlichen Austausch, in dem die Teilnehmer*innen ihre Forschungsthemen und -ergebnisse präsentieren und diese mit der Gruppe diskutieren konnten, etwa zur Transformation des Alevismus, zum antimuslimischen Rassismus innerhalb der deutschen Parteien CDU und CSU oder zum Antisemitismus im griechischen Populismus, um nur einige zu nennen.

In der letzten Session des Tages erhielten Teilnehmer*innen die Möglichkeit, über dieses intensive Programmjahr zu reflektieren. Es gab Raum, um Feedback sowie Anregungen zu Formaten, Methoden und Inhalten zu geben, und um Ideen und Vorschläge für die zukünftige Gestaltung des Seminarprogramms zu formulieren, um das Programm weiter zu verbessern.
Wir beendeten den Abend mit einem Grillfest in geselligem Beisammensein mit unseren Alumni*ae und Gästen sowie mit der Hawdala, um den Schabbat zu beenden und die neue Woche zu begrüßen.

Unser letzter Konferenztag (19. Juni) wurde mit einem ökumenischen Gottesdienst eröffnet, der von unseren Teilnehmer*innen und der religiösen Beraterin Philine Lewek vorbereitet wurde. Zur Veranschaulichung der Pluralität innerhalb des Christentums wurden Lieder aus unterschiedlichen traditionellen Strömungen ausgewählt, und statt einer Predigt wurden zwei Betrachtungen unterschiedlicher biblischer Texte aufgenommen, die für Teilnehmer*innen persönliche Bezüge zum Thema Gedenken und Erinnerung haben.

Auf der Abschlusssitzung bekamen die Teilnehmer*innen die Möglichkeit zu einer letzten gemeinsamen Reflexion und einem Rückblick auf das Jahr sowie einer Vorschau auf das kommende Programmjahr und dessen Themen und Formate. Ein*e Teilnehmer*in formulierte, die Arbeit mit der DialogPerspektiven-Kohorte 2021/22 fühle sich an wie eine „selbst gewählte, große interreligiöse Familie“.

Wir danken unseren Teilnehmer*innen für ihre harte Arbeit, ihr Engagement für unser Programm und ihr Vertrauen – die Zusammenarbeit mit ihnen war ein Privileg. Ein großes Dankeschön geht an unsere Workshopleiter*innen, die religiös-weltanschaulichen Begleiter*innen und das erweiterte Team für ihren Beitrag zum diesjährigen Programm.

Wir freuen uns darauf, die Diskussion im nächsten Programmjahr fortzuführen – die Ausschreibung startet demnächst. Bleibt auf dem Laufenden, erzählt es herum und meldet Euch an!

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