Vom 25. März bis 1. April fand das Frühjahrsseminar 2019 „Israel: Religion und Säkularität in Staat und Gesellschaft“statt. Im Fokus des in vielerlei Hinsicht ganz besonderen Seminars stand die Annäherung an die komplexe Realität Israels. In Zeiten einer oftmals einseitigen Darstellung des Landes innerhalb des deutschen und europäischen Diskurses ging es darum, unterschiedliche Perspektiven und Narrative kennenzulernen, die gleichzeitig und nebeneinander, dabei oft widersprüchlich oder unvereinbar, die gesellschaftliche, religiöse und politische Realität des Landes ausmachen.
Der Zeitpunkt des Seminars fiel – mit der Parlamentswahl am 9. April, den damit verbundenen innenpolitischen Spannungen, dem anhaltenden Raketenbeschuss israelischen Gebiets aus Gaza, den zunehmenden Konflikten innerhalb der israelischen Bevölkerung und einer zunehmenden Resignation hinsichtlich des stagnierenden Friedensprozesses – in eine politisch angespannte Zeit.
In Begegnungen und Diskussionen mit zahlreichen Vertreter_innen unterschiedlicher Institutionen und Organisationen in Tel Aviv, Haifa und Jerusalem setzten sich unsere Teilnehmer_innen mit den Herausforderungen und Chancen eines religiösen Pluralismus unter den besonderen politischen, gesellschaftlichen und geografischen Bedingungen des Landes auseinander. Auf dem Programm standen u. a. das gemeinsame Gedenken und unterschiedliche Formen des Erinnerns an die Shoah in Yad Vashem, Säkularität und Zionismus im Gespräch mit Vertretern der säkularen Yeshiva BINA, historische und rechtsphilosophische Aspekte der Besonderheit der israelischen Staatsform der jüdischen Demokratie sowie interreligiöse Begegnungen. Über aktuelle politische Herausforderungen sprachen wir mit in Israel vertretenen deutschen, politischen Stiftungen, mit Aktivistist_innen der jüdisch-arabischen NGO Standing Together, mit Vertreter_innen palästinensischer NGOs in den Palästinensischen Gebieten, mit Schüler_innen des jüdisch-arabischen Shared-Existence-Programm des Leo Baeck Centers oder mit einer Nachbarschaftsinitiative in Ein Hayam in Haifa.
Einblicke in die religiöse Diversität des Landes gaben ein gemeinsamer Shabbatg’ttesdienst in Jerusalem, der Besuch der Klagemauer, christliche Andachten in der Grabeskirche sowie der Dormitio-Abtei in Jerusalem, der Besuch des Bahá’í-Weltzentrums in Haifa und Impulse zur unterschiedlichen religiösen Praxis oder zur Bedeutung Jerusalems für Judentum, Islam und Christentum.
Intensives Lernen, neue Erkenntnisse, unzählige neue Fragen, Momente der Irritation und des Sich-Fremdfühlens, des Infragestellens der eigenen Positionen und nicht zuletzt des Zuhörens und der Begegnung machten unsere Reise zu einem besonderen Erlebnis für alle Beteiligten. „Alles wirkliche Leben ist Begegnung“ – dieses Zitat aus der Schrift Ich und Du des jüdischen Religionsphilosophen Martin Buber steht in vielerlei Hinsicht auch für die Erfahrungen und Eindrücke dieses bisher wohl wichtigsten Seminars des „Dialogperspektiven“-Programms, unserer gemeinsamen Reise nach Israel.
Wir danken allen Teilnehmer_innen, Referent_innen und religiösen Begleiter_innen für ihr Engagement in dieser intensiven Woche der Begegnungen und des Dialogs!
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