Beim Frühjahrsseminar 2017 im polnischen Szczecin (Stettin) begleitete uns Radio Szczecin bei unserem Treffen mit dem Rat der Minderheiten im Ukrainischen Kulturzentrum, um über unser Programm und unseren Besuch in Stettin zu berichten. Die Sendung Posydenki sendete ein Interview mit Dialogperspektiven-Teilnehmerin Angela Pape und Dialogperspektiven-Programmassistent Adrian Fiedler.
Posydenki, 19.03.2017
Moderatorin (M:): Im Ukrainischen Kulturzentrum hatten wir neulich Gäste, bei uns ist …
Adrian Fiedler (A.F.): Adrian Fiedler, ich bin Projektassistent im Programm Dialogperspektiven aus Berlin.
M.: Du hast ein paar Dutzend junge Leute hergeführt, das sind Studierende, vielleicht auch Promovierende?
A.F.: Studierende, Promovierende der verschiedenen deutschen Studienwerke. Das ist ein deutschlandweites Programm zum interreligiösen Dialog.
M.: Sehr interessant, zu uns kam noch eine Teilnehmerin. Wundern Sie sich nicht, dass sie auch Polnisch spricht, gleich wird sie uns alles erläutern.
Angela Pape (A.P.): Ich heiße Angela Pape, ich nehme am Programm Dialogperspektiven teil.
M.: Bevor wir zum Programm kommen, interessiert uns auch, woher Ihr Polnisch könnt.
A.P.: Ich kann Polnisch, weil meine Mutter in Polen geboren ist, in Wrocław (Breslau) und sie hat mir ein wenig Polnisch beigebracht.
A.F.: Ich habe Slavistik mit polnischer Philologie studiert und war auch einmal mit Erasmus zum Studium in Polen.
M.: Zurück zum Programm: Hier geht es um den Dialog und den Austausch zwischen Religionen und Kulturen, zwei mit einander verbundenen, sehr wichtigen Fragestellungen. Was macht Ihr genau?
A.F.: Wir organisieren zweimal im Jahr mehrtägige Seminare zum Thema – einmal im Herbst und einmal im Frühjahr – und eine Konferenz zum Abschluss des Programmjahres, außerdem finden etwa zweimal im Jahr öffentliche Veranstaltungen, wie Podiumsdiskussionen statt.
M.: Was interessiert junge Leute an interreligiösen und interkulturellen Fragen?
A.P.: Uns interessieren u.a. Probleme der religiösen Minderheiten. Uns interessieren die Gemeinsamkeiten und Unterschiede, also auch was uns verbindet. Ich möchte auch erfahren, wie die religiösen Praktiken der anderen Teilnehmer_innen aussehen. Das ist was mich interessiert.
M.: Und was interessiert dich daran?
A.F.: Nun, ich bin ja kein Teilnehmer, sondern arbeite für dieses Programm. Ich habe zuvor in einigen interkulturellen Projekten gearbeitet, vor allem in deutsch-polnischen Projekten in der Grenzregion und dann ergab sich die Möglichkeit hier in diesem Projekt zu arbeiten, das einen etwas anderen Schwerpunkt hat, nämlich weniger auf der interkulturellen Arbeit sondern im Dialog zwischen Religionen.
M.: Ich denke ist ein besonders wichtiges Thema, gerade in der heutigen Zeit, wenn die Europäer so vor den Muslimen Angst haben. Wir haben wohl alle Angst, dabei kennen wir sie nicht. Das heißt, heute gibt es wohl weniger Probleme zwischen Katholiken und Protestanten, aber dafür gibt es starke Vorbehalte gegenüber Muslimen. Ist das auch ein Thema, mit dem Ihr Euch beschäftigt?
A.F.: Zunächst einmal: wir haben keine Angst. Wir arbeiten miteinander auf Augenhöhe. In unserem Programm sind Vertreter_innen der unterschiedlichen Glaubensrichtungen, sowohl Muslime, als auch Juden, Christen der unterschiedlichen Kirchen und auch nicht-religiöse Menschen.
M.: Ist denn dieser Dialog möglich? Ich muss dazu sagen, dass ich heute beim Treffen hier – wovon wir gleich berichten – verschiedene Teilnehmer_innen gesehen habe. Da war eine Frau mit Kopftuch, so dass ich davon ausgehe, dass es sich um eine Muslima handelt. Ich sah auch zwei Männer mit Kippa, also vermutlich Juden. Aber sonst sind wir wohl alle gleich. Wenn jemand rötliche Haare hat – wie ich – hat das wohl keine Bedeutung.
Ist also der Dialog möglich? Ist der Dialog möglich in einem Europa, das heutzutage wieder nationalistischer wird?
A.P.: Ja, das ist jetzt besonders wichtig, dass mit einander reden und dass wir nicht in Angst leben. Wir können heute einfach mit einander problemlos das Gespräch suchen. Wir können natürlich auch über unsere Ängste reden. Wir sind hier offen, auch was emotionale Dinge angeht.
M.: Das ist sehr wichtig, was Du sagst. Ihr seid jung, vielleicht wächst eine Generation heran, die offen ist, die nicht in Angst lebt und selbst wenn sie Ängste hat, kann sie diese zum Ausdruck bringen, statt zur Gewalt zu greifen. Ist so ein Dialog möglich?
A.F.: Eine grundlegende Sache ist auch das Wissen, von einander und über einander. Was macht die Religion des Anderen aus, oder was sind die Elemente, Praktiken, die verschiedenen Liturgien oder Gebete zum Beispiel und was ist vor allem für den Anderen wichtig?
Wir möchten auch, dass die Teilnehmer_innen des Programm verschiedene religiöse Praktiken der anderen Teilnehmer_innen kennen lernen.
M.: Da kann sich zum Schluss herausstellen, dass die Anderen uns näher sind als wir dachten.
A.P.: Ja. Ich kann sagen, dass uns andere Religionen tatsächlich näher sind als ich erst gedacht hatte. Wir haben viel gemeinsam. Muslime leben zum Teil auch sehr in Angst, sie werden auch ständig diskriminiert. Und es ist auch für Muslime gut, dass sie so offen in den Dialog treten können.
M.: Sind sich also alle näher als zunächst gedacht?
A.F.: Nun, für mich ist das ein bisschen schwer einzuschätzen, da ich die Treffen organisiere, aber selbst in der Gruppengesprächen nicht teilnehme. Aber wir sehen, dass der Dialog möglich ist, und dass es sehr wichtig ist, unseren jungen Teilnehmer_innen diesen Raum für Gespräche und für den Austausch zu geben. Diese Arbeit ist sehr relevant und sehr notwendig.
M.: Heute wart ihr bei den Ukrainern hier im Kulturzentrum – vielleicht ist so ein eineinhalbstündiges Treffen auch zu wenig. Aber was habt Ihr erfahren? Über die Ukrainer, die Minderheiten in Polen, was habt Ihr neues erfahren?
A.P.: Ich war bereits in der Ukraine, ich hatte auch vorher bereits viel erfahren über das Thema der Deportationen …
M.: … der Akcja Wisła (Aktion Weichsel) …
A.P.: … ja, auch von Seiten meiner Großmutter. So dass es für mich persönlich nicht viel Neues war.
A.F.: Wir waren aber auch in der Griechisch-Katholischen Kirche. Ich denke, dass das für viele der Teilnehmer_innen aber auch etwas Neues war. Das ist ja eine Kirche auf dem Schneidepunkt zweier Kulturen, mit einerseits östlicher Liturgie, anderseits zur römischen Kirche gehörend und dem Papst unterstehend.
M.: Solche Treffen sind ja wie ein Kurzvortrag, können solche Treffen hilfreich sein, um einander mehr zu verstehen?
A.P.: Ich denke ja, wie Adrian schon sagte: Wissen ist sehr wichtig und die Grundlage, um einen Dialog beginnen zu können. Für mich war es sehr interessant. Zum Beispiel das Selbstverständnis, dass Ukrainer in Polen eine Minderheit sind, sich aber in erster Linie als polnische Staatsbürger verstehen. Dass diese Identität das Selbstverständnis nicht stört …
M.: Viele Menschen verlangen von uns immer, dass wir uns bekennen: Sag wer du bist: bist du Ukrainer, bist du Pole? Bist du Deutsche oder Polin? Vielleicht hat das keine Relevanz? Viellicht bin ich Pole und Ukrainer zugleich? Wozu also so eine Vereinfachung?
Ihr wart hier im Ukrainischen Kulturzentrum. Was könnt Ihr hier in Stettin noch sehen, noch mitnehmen, wovon Ihr vielleicht etwas lernen könnt? Was habt Ihr noch für Pläne?
A.F.: Wir planen noch ein Treffen mit der Jüdischen Gemeinde in Stettin. Außerdem planen wir noch einen Kulturabend zum Abschluss der Seminartage im Theater Kana in Stettin. Dort wird für uns ein deutscher Künstler mit jüdischen Wurzeln auftreten. Er lebt unweit von Stettin, schon auf deutscher Seite in der deutsch-polnischen Grenzregion, ist aber sehr mit der Stettiner Kunstszene verbunden, da für ihn Stettin auch das kulturelle Zentrum der Region, in der er lebt, darstellt. Er heißt Alex Stolze, ist Violinist und spielt auf einer elektronischen Geige.
M.: Nun, vielleicht ist Stettin auch so ein Ort, wo alles möglich ist? Könnt Ihr heute schon sagen, dass das ein gelungener Aufenthalt in Stettin war?
A.P.: Ja. Ich kann das schon sagen, dass es gelungen war, auch wenn wir sehr kurz hier sind. Aber auch das Programm war sehr gut, mit diesem Treffen …
A.F.: Ob das Seminar hier gelungen ist, kann ich heute natürlich noch nicht einschätzen. Es freut mich aber zu hören, dass es gefällt. Man muss aber dazu sagen, dass wir nur sehr wenig Zeit haben, um etwa die Stadt zu besichtigen, denn das ist ja kein typische Exkursion, die Teilnehmer_innen arbeiten die meiste Zeit ja in ihren Arbeitsgruppen.
M.: Nun zumindest aus Berlin ist Stettin ja sehr nah, Ihr könnt also jederzeit wiederkommen, um Euch die Stadt anzusehen.
Heute also eine etwas untypische Sendung, hier aus dem Ukrainischen Kulturzentrum. Herzlichen Dank an Euch!
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