Retrospekt: Nachbarschaftsdialoge in Wedding und Moabit

Ende November fanden im Rahmen des Projekts „Nachbarschaftsdialoge in Wedding und Moabit“ drei Abendveranstaltungen mit dem Fokus der Förderung eines friedlichen und wirkungsvollen Miteinanders innerhalb der Nachbarschaften der beiden Bezirke durch Dialog statt. Das Projekt wurde von unserer Alumna Nuriani Hamdan organisiert.

Hier folgen Eindrücke und eine kurze Zusammenfassung aus ihrer Perspektive:

Im Rahmen unseres Projekts Nachbarschaftsdialoge in Wedding und Moabit haben wir drei Abendveranstaltungen organisiert, die Mitte und Ende November in Wedding und Moabit stattgefunden haben. Der inhaltliche Fokus lag hierbei auf der Förderung eines friedlichen und wirkungsvollen Miteinanders innerhalb der Nachbarschaften der beiden Bezirke durch Dialog.

Zum Auftakt unserer Veranstaltungsreihe haben wir zu einem Filmabend im Zukunftshaus Wedding eingeladen und gemeinsam den Dokumentarfilm „Reunion – Ten Years After The War“ von Jon Haukeland zum Kosovo-Konflikt gesehen. Der Film zeigt den Dialogprozess einer Gruppe von Studierenden kurz vor Ausbruch des Krieges und einige Jahre danach und war unter anderem im Hinblick auf Ablauf und Wirkung der Dialoge in dieser Zeit massiver politischer und militärischer Spannungen interessant zu sehen. Wir hatten das Glück Dr. Steinar Bryn, Friedensstifter und Dialogforscher, der viele Jahre beim norwegischen Nansen Center for Peace and Dialogue tätig war und die im Film gezeigten Dialoge damals moderierte, an diesem Abend live per Zoom dazu geschaltet zu haben. Er gab uns eine kurze Einführung und stand nach dem Film für Fragen bereit. Die Teilnehmenden stellten Fragen wie: Wann ist der richtige Zeitpunkt für einen Dialog im Konfliktfall – vor, während oder nach z.B. einem Krieg?, Ist es auch manchmal zu spät für Dialog?, In welchen Situationen ist Dialog nicht sinnvoll?, Inwiefern ist es auch kritisch zu betrachten, dass Dr. Bryn als Norweger die Dialoge im Kosovo geführt hat?, Wie kam er dazu?, Welche Rolle spielen Fakten innerhalb eines Dialoges?. Dr. Bryns Antworten beruhten auf seinen eigenen Erfahrungen und Wahrnehmungen und waren Bereicherung und Anregung zugleich für die weitere Reflexion des Films und der Möglichkeiten und Grenzen von Dialog.

   

Eine Woche darauf fand im Zukunftshaus Wedding der von uns selbst geleitete Dialog zum Thema Versöhnung statt. In kleiner Runde erlebten wir ein lebhaftes Gespräch mit vielen persönlichen Einblicken rund um unsere Einstiegsfrage: Was verbindest du mitVersöhnung? Als Faszilitator*innen sind wir dazu aufgefordert Fragen zu stellen, die an das Gesagte der Teilnehmenden anknüpfen und dadurch das Gespräch am Laufen halten und in die Tiefe führen. Mithilfe des Prinzips einer Redeliste erhält jede Person den Raum zu sprechen und ist selbst dafür verantwortlich sich zu äußern oder nichts zu sagen. Die zwei grundlegenden Regeln während unseres Dialoges sind, aus der eigenen Perspektive zu sprechen und die Realität einer*s anderen nicht zu kommentieren oder gar abzusprechen. Die Teilnehmenden führen mehr und mehr ein Gespräch unter sich und sind dazu eingeladen sich auch gegenseitig Fragen zu stellen, um mehr über die Sichtweise oder das Erleben der anderen Personen zu erfahren.

Auf das Thema und die Einstiegsfrage aufbauend, wurde in diesem Dialog über das persönliche Bedürfnis nach Verbindung und Beziehung zu anderen Menschen gesprochen, über die Relevanz von Versöhnung in verschiedenen Situationen. Es wurde über Konflikte, die so stark sind, dass sie zum Abbruch der Verbindung führen müssen und Verbindungen, die einen bestimmten Grad an Konflikt aushalten und auch längerfristig überdauern können, gesprochen. Es wurden Sorgen und Ängste bezüglich globaler und politischer Konflikte gezeigt und sich gegenseitig Mut gemacht.

Der Dialog hat ein klares, zeitlich festgelegtes Ende und wird ohne Wertung oder Einordnung des Gesagten zum Abschluss geführt. Wir sind dankbar für alle, die da waren und sich dieses besondere Gespräch zugetraut haben.

Die letzte Veranstaltung unserer Veranstaltungsreihe war der Dialog im Nachbarschaftsladen Stephans in Moabit. Menschen mit unterschiedlichen Hintergründen und Beweggründen und in unterschiedlichem Alter aus der näheren oder auch ferneren Nachbarschaft kamen zusammen und führten ein tiefgehendes, unserem Eindruck nach, bereicherndes Gespräch zum Thema Versöhnung. Wir starteten auch diesen Abend mit der Frage Was verbindest du mit Versöhnung? und daraus entstand ein berührender Dialog über den persönlichen Umgang mit Konflikten, die eigene Grenze von Versöhnlichkeit oder Vergebung, die Wichtigkeit von Kommunikation, die individuelle und gesellschaftliche Verantwortung im Bezug auf Ressourcen und Klima, die persönlichen Privilegien und das persönliche Erleben von Konflikten in Familien, im sozialen Umfeld, am Arbeitsplatz, als migrierte Person und vieles mehr. Im Anschluss an den Dialog entstanden unter den sich zuvor noch fremden Menschen weitere private Gespräche, die den Eindruck machten, dass sie mit viel Leichtigkeit und ohne große Hürde entstanden und sich daraus vielleicht erkennen lässt, dass der zuvor geführte Dialog vermutlich zu einer Art grundsätzlichen Verbindung beigetragen hat und den Kontakt erleichterte.

Text & Fotos: Nuriani Hamdan

Abonnieren
Benachrichtige mich bei
0 Comments
Oldest
Newest Most Voted
Inline Feedbacks
View all comments
˝

0
Would love your thoughts, please comment.x