18. November 1991: Fall der Stadt Vukovar

Ein Dossier von CPPD-Mitglied Darija Davidović

Zu Beginn des Kroatien-Krieges (1991-1995) wurde die ostslawonische Stadt Vukovar im Herbst 1991 von Truppen der Jugoslawischen Volksarmee (JNA) sowie von serbischen paramilitärischen Einheiten drei Monate lang belagert. Vor Beginn des Krieges lebten im multiethnischen Vukovar rund 45.000 Menschen. Den größten Bevölkerungsanteil machten kroatische und serbische Bürger*innen aus. Bereits Ende der 1980er Jahre kam es wegen serbischer Propaganda zunehmend zu Spannungen zwischen den beiden größten Bevölkerungsgruppen: Kurz nach der Unabhängigkeitserklärung Kroatiens am 25. Juni 1991 wurden Todesszenarien im serbischen Staatsfernsehenheraufbeschworen, von einem erneuten Genozid an den Serb*innen gewarnt und eine Befreiung Vukovars von den „Ustascha“ propagiert.

Die Geschichte des Zweiten Weltkrieges, der antifaschistische Widerstand sowie die Verfolgung und Vernichtung von Serb*innen vonseiten der Ustascha wurde somit für gegenwärtige politische Zwecke instrumentalisiert und dadurch Misstrauen und Angst bei der Zivilbevölkerung geschürt. Aufgrund der enormen Medienkontrolle in Serbien wurden die Bilder aus Vukovar gezielt gefiltert, um die heraufbeschworenen Todesszenarien real erscheinen zu lassen. Dass in Vukovar serbische Zivilist*innen an der Seite kroatischer Einheiten die Stadt verteidigten oder sich gemeinsam mit kroatischen Nachbar*innen gegen die Angriffe in den Kellern versteckten, wurde in den Medien gezielt ausgelassen und mit ethnonationalistischer Propaganda und xenophoben Bildern überdeckt.

Trotz der zahlenmäßig und militärisch enorm unterlegenen kroatischen Verteidigung, gelang es der JNA nicht wie geplant die Stadt binnen weniger Tage einzunehmen. Während der 87-tägigen Belagerung wurde Vukovar täglich mit bis zu 8.000 Granaten beschossen und dabei völlig zerstört. Lediglich einige wenige Hauptstraßen blieben befahrbar. Ausgebrannte Häuser, verstreuter Hausrat sowie in Hinterhöfen vergrabene Minen erschwerten den Zugang zu Verletzten. Aufgrund von Versorgungsengpässen starben während der Belagerung mehrere hundert Patient*innen im Krankenhaus. Unter massivem Beschuss wurde die Stadt schließlich am 18. November eingenommen und alle Kroat*innen und andere Nicht-Serb*innen aus der Stadt vertrieben. Wenige Tage später wurden über 260 Zivilist*innen aus dem selbigen Krankenaus verschleppt und zur nahelegenden Schweinefarm Ovčara gebracht, wo sie ermordet und in Massengräbern verscharrt wurden. Die verantwortlichen Offiziere Mile Mrkšić, Veselin Šljivančanin und Miroslav Radić wurden später vor dem Internationalen Kriegsverbrechertribunal für Jugoslawien in Den Haag wegen Kriegsverbrechen angeklagt.

In der serbischen Erinnerungskultur stellen die Ereignisse in Vukovar einen weißen Fleck dar. Lediglich NGOs sowie Aktivist*innen gedenken in Serbien den Opfern der Belagerung Vukovars sowie den Opfern des Kriegsverbrechens in Ovčara. In Kroatien hingegen stellt der Jahrestag des Falls der Stadt seit 31 Jahren einen der bedeutenden Gedenktage im Kontext des Kroatien-Krieges dar, zu dem jährlich mehrere zehntausend Menschen aus ganz Kroatien und der Diaspora anreisen. Das Gedenken in Vukovar wurde in den vergangenen Jahrzehnten jedoch auch von Seiten kroatischer Nationalist*innen für politische Machtkämpfe missbraucht und diente etwa Lokalpolitiker*innen der HDZ als Wahlkampfbühne. Solch einer politischen Instrumentalisierung von Gedenken könnte etwa mit einer breiten internationalen Solidarisierung und Anteilnahme entgegengewirkt werden, denn bisher scheinen die Kroat*innen den Jahrestag für sich alleine zu begehen. Auch hinsichtlich des Kriegs in der Ukraine und der russischen Propaganda, die den Angriffskrieg mit erschreckend ähnlichen Narrativen legitimiert, wie einst die serbischen Nationalist*innen die Angriffe auf Vukovar, ist es wichtig sich an die Ereignisse in Vukovar zu erinnern und diese in einen breiten globalen Kontext zu betten.

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