CPPD-Broschüre: Gedenkkalender #Erinnerungsfutur

Der Gedenkkalender auf den Seiten der CPPD umfasst erinnerungspolitische Ereignisse und stellt sie in den Kontext pluralistischen Erinnerns. Er ergänzt die Netzwerkarbeit der CPPD als wichtigen Bestandteil und wird über das Jahr fortlaufend aktualisiert. Zu Jahresende konzipierte die CPPD daraus die Broschüre „Gedenkkalender #Erinnerungsfutur“. Sie versammelt über 40 Beiträge von CPPD-Mitgliedern und Gastautor*innen. Die Dossiers bilden eine Auseinandersetzung mit erinnerungsrelevanten Ereignissen und Bezugspunkten in unserer Gesellschaft ab, die Sammlung verbleibt dabei jedoch prozesshaft und unabgeschlossen: Viele der Beiträge der Broschüre verweisen zunächst auf Leerstellen im kollektiven Gedächtnis. Gerade wenig bekannte Daten und Zugänge interessierten uns – wie die dahinterliegende Frage, wie diese verstärkt in den Fokus von Politik, Gesellschaft und dem eigenen Handeln gerückt werden können. Gleichzeitig kann und muss der Gedenkkalender um weitere erinnerungsrelevante Ereignisse in Zukunft fortgeschrieben werden – dafür werden die bestehenden Beiträge auch 2023 um Dossiers zu zentralen Gedenktagen und erinnerungspolitischen Ereignissen auf unserer Website ergänzt.

Hier ein Abdruck des Vorworts:

Erinnerungskulturen vermitteln Deutungen von Geschichte, Interpretationen von Vergangenheit. Gleichzeitig ermöglichen sie es uns, Aussagen über unsere Gegenwart zu treffen. Erinnerungskulturen sind Identitätsangebote. Wer sich wann, wo und wie erinnert und wessen Erinnern sichtbar gemacht wird – durch staatliche Förderung, durch Ausstellungen, Denkmale oder Gedenktage –, all das steht im direkten Zusammenhang mit der Frage, wie sich eine Gesellschaft selbst erzählt, wer zu ihrem Wir dazugehört. Die Coalition for Pluralistic Public Discourse (CPPD) setzt sich mit der Frage auseinander, wie es möglich sein kann, das reale Wir – die pluralistische, die vielfältige europäische Gesellschaft –  in einer Pluralen Erinnerungskultur sichtbar zu machen. Die CPPD ist ein Netzwerk von über 50 Intellektuellen, Wissenschaftler*innen, Künstler*innen und Aktivist*innen, die auf unterschiedlichste Weise zu Erinnerungskultur und gesellschaftlicher Vielfalt arbeiten.

Eine wesentliche Erkenntnis aus der bisherigen Arbeit der CPPD ist, dass wir das Erinnern an die vielfältigen Erinnerungsereignisse, der wir gedenken, immer wieder aktualisieren müssen. Mit der Pluralität unserer Gesellschaft ist eine Vielfalt an Erinnerungsereignissen und an Referenzpunkten der Erinnerung verbunden, die bislang nicht Teil unseres gemeinsamen Erinnerns ist. Eine plurale Gesellschaft braucht eine andere plurale Erinnerungskultur, die ihrer eigenen inneren Vielfalt gerecht wird. Vor diesem Hintergrund versammelt dieser Gedenkkalender Beiträge von CPPD-Mitgliedern und Gastautor*innen, die in journalistischen Texten, wissenschaftlichen Abhandlungen und kreativen Formaten verschiedenste Gedenktage reflektieren.

Dieses Verständnis ist eine zentrale Voraussetzung des vorliegenden Gedenkkalenders: Es gibt keine abgeschlossenen Erinnerungsprozesse, keinen einen validen erinnerungskulturellen Kanon. Erinnerungen kennen weder Grenzen noch ein Zentrum. Die Beiträge nehmen diese Multiperspektivität und Ambivalenz von Erinnerungen auf und bieten neue Deutungsangebote von Erinnerungsereignissen. Sie verweisen auf Leerstellen und stellen Bezüge her, für die es sich lohnt, Erinnerungspolitik und Erinnerungskulturen verstärkt in den Fokus von Politik, Gesellschaft und dem eigenen Handeln zu rücken. Pluralität ist keine harmonische Angelegenheit. Auch das wird immer wieder in dieser Sammlung deutlich. Dies liegt daran, dass Erinnern für alle eine wesentliche Rolle spielt – im Individuellen wie in den einzelnen Communities. Jeweils zentrale Erinnerungsereignisse, Formen von Erinnerung, Sprache und Sprachen der Erinnerung treten miteinander in einen Dialog, in Aushandlung, Auseinandersetzung, auch Streit. Das alles ist durchaus produktiv, wenn es eine grundsätzliche Einigkeit darin gibt, dass Aushandlungen und Auseinandersetzungen ein gemeinsames Ziel verfolgen.

In einem post-identitätspolitischen Feld, in dem die CPPD wirkt, in dem Ambivalenzen und Uneindeutigkeiten sich Festsetzungen entgegenstellen und Dynamik Starre ablöst, greift das Wirken der CPPD deshalb auch immer wieder gesellschaftliche Entwicklungen in Deutschland und Europa auf: Von Fragen der Auseinandersetzung und Aushandlung an den Schnittstellen von Erinnerungskulturen und Antisemitismus, Ableismus, Rassismus, Queerfeindlichkeit bis hin zu der Frage, wie wir Gegenwärtiges erinnern.

Die Basis der Arbeit ist stets: Erinnerung und gesellschaftliches Erinnern sind zentral für die Gestaltung der Gegenwart und Zukunft. Nur, wenn Erinnerung gestärkt wird, wenn sie geöffnet und aktualisiert wird, kann uns die Vergangenheit Orientierung für unser Handeln in der Gegenwart geben.

Dieser Gedenkkalender ist ein Anfang, aber nicht das Ende der notwendigen Auseinandersetzung mit erinnerungsrelevanten Ereignissen und Bezugspunkten in unserer Gesellschaft. Seine Beiträge wurden ursprünglich für die Website und Social-Media-Kanäle der CPPD verfasst. Dort können auch weitere Beiträge gelesen werden. Dieser Gedenkkalender schließt mit dem von der CPPD entwickelten „Manifest der Pluralen Erinnerungskulturen“, das sich in zehn Thesen mit den zentralen Grundbausteinen für Plurale Erinnerungskulturen auseinandersetzt.

Wir bitten alle Lesenden, uns weitere Gedenktage zuzusenden, um den Gedenkkalender zu ergänzen und gemeinsam fortzuschreiben. Unter der Prämisse, diesen niemals zum Abschluss zu bringen, denn: Nur in seiner Offenheit bleibt sein Anspruch plural, kann der Gedenkkalender einen gelingenden Beitrag zu einem #ERINNERUNGSFUTUR leisten.

 

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Santhi, DialoguePerspectives participant

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