5. Mai: Protesttag zur Gleichstellung von Menschen mit Behinderung

Ein Dossier von CPPD-Mitglied Anne Gersdorff

Foto: (c) Andi Weiland

Für eine ganze Personengruppe ist heute ein wichtiger Tag: der 30. Protesttag zur Gleichstellung von Menschen mit Behinderung. Dieser Tag wurde von den Interessenvertretungen Selbstbestimmt Leben Deutschland (ISL) ins Leben gerufen, dem deutschen Pendant zur US-amerikanischen Independent Living-Bewegung. ISL setzt sich dafür ein, dass Menschen mit Behinderungen nicht mehr bevormundet, betreut und diskriminiert werden. Dabei geht es zum einen darum, Barrierefreiheit in allen gesellschaftlichen Bereichen zu schaffen, damit behinderte Menschen selbstbestimmt leben und teilhaben können. Zum anderen sollen Einrichtungen, die dazu führen, dass behinderte Menschen exkludiert werden, abgeschafft werden (z.B. Sonderschulen oder Werkstätten für Menschen mit Behinderungen).

Menschen mit Behinderungen werden häufig immer noch vergessen

Doch warum braucht es einen Protesttag? Auch wenn sich mittlerweile viel getan hat, was die Anerkennung und Berücksichtigung der Vielfalt in unserer Gesellschaft betrifft, werden Menschen mit Behinderungen dabei häufig immer noch vergessen. Dabei leben in Deutschland über 10,4 Millionen Menschen mit Behinderungen. Somit hat jede*r achte Einwohner*in Deutschlands eine Behinderung. Was auch kaum jemand weiß: Die wenigsten Menschen mit Behinderungen haben diese seit ihrer Geburt. Fast 90 % aller Behinderungen treten erst im Laufe des Lebens auf. Umso wichtiger ist es, dass Menschen mit Behinderungen sichtbar sind und sich laut und vehement für ihre Rechte einsetzen. Außerdem macht der Protesttag deutlich: Menschen mit Behinderungen setzen sich aktiv für ihre Rechte ein! Das hat auch einen wichtigen Aspekt von Empowerment.

Menschen mit Behinderungen sind Expert*innen in eigener Sache

Inspiriert ist der Europäische Protesttag von der weltweiten Behindertenbewegung, die in den 1960er Jahren begann (siehe dazu: Dokumentarfilm, Sommer der Krüppelbewegung, Netflix, 2020). Bei der Vertretung ihrer eigenen Interessen wurden behinderte Menschen durch die Bürger*innenrechtsbewegung Schwarzer Menschen in den USA und der Student*innen unterstützt und motiviert. Immer mehr behinderte Bürger*innen erkannten, dass viele Schwierigkeiten weniger auf individuelle Defizite zurückzuführen sind, sondern aus gesellschaftlichen Diskriminierungen resultieren. Daraufhin wehrten sich weltweit behinderte Menschen gegen die Wohlfahrt und klassische Behindertenhilfe, die zur Institutionalisierung führt und in der professionelle Personen über das Leben von Menschen mit Behinderungen entscheiden. Menschen mit Behinderungen sind jedoch Expert*innen in eigener Sache. Zu den Aktivist*innen dieser Zeit zählen z.B. Ed Roberts, Hale Zukas, Judith Heumann, Peg Nosek, Beverly Chapman, Lex Frieden u.a..

Deutschland kommt den Beschlüssen der UN-Behindertenrechtskonvention nur ungenügend nach

Seit der Gründung des Europäischen Protesttages vor 30 Jahren hat sich für behinderte Menschen einiges entwickelt und verändert. 2009 trat unter Mitwirkung vieler behinderter Menschen die UN-Behindertenrechtskonvention in Kraft. Diese verpflichtet Deutschland und andere Staaten, alles zu tun, damit Menschen mit Behinderungen im selben Umfang wie alle anderen an der Gemeinschaft teilhaben können – zum Beispiel in den Bereichen Schule, Arbeit und Wohnen. Eine inklusive Gesellschaft ist damit ein Menschenrecht. Doch Deutschland scheitert daran, diesem Anspruch umfassend nachzukommen und wird dafür regelmäßig von Menschen mit Behinderungen selbst, aber auch von der UN gerügt.

Der Weg zur Inklusion ist noch längst nicht abgeschlossen. Die jüngste aktive Behindertenbewegung zeigt, dass Menschen mit Behinderung noch nicht zufrieden sein können. Vielen Menschen mit Behinderungen geht der Prozess zu schleppend voran, weshalb heute viele Menschen für ihr volles Recht auf Selbstbestimmung, Barrierefreiheit und Teilhabe auf die Straße gehen.

 

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