4. April 2006: NSU-Mord an Mehmet Kubaşık

Ein Gastbeitrag von Caro Keller | NSU-Watch

Mehmet Kubaşık wurde am 1. Mai 1966 in Hanobası (Türkei) geboren, wo er aufwuchs und schon als Jugendlicher seine spätere Ehefrau Elif kennenlernte. 1991 floh er gemeinsam mit ihr und der gemeinsamen Tochter Gamze nach Dortmund. Dort bekam das Paar zwei weitere Söhne. Die Familie nahm später die deutsche Staatsbürger*innenschaft an.

Nach einem Schlaganfall machte sich Mehmet Kubaşık selbstständig. Er eröffnete einen Kiosk in der Dortmunder Nordstadt, in dem die ganze Familie aushalf. In diesem Kiosk wurde Mehmet Kubaşık am 4. April 2006 vom NSU erschossen.

Elif Kubaşık berichtete im NSU-Prozess, sie sei an diesem Tag in die Richtung des Ladens gegangen, weil eine Nachbarin angerufen habe. In der Straße habe sie die Beamt*innen gesehen: „Ich dachte an einen Unfall.“ Es sei alles abgesperrt gewesen. Die Polizist*innen hätten sie nicht in den Laden gelassen. Dann hätten die Polizist*innen einen Krankenwagen geholt, dort seien sie eingestiegen. „Meine Tochter zitterte und sagte: ‚Mein Väterchen, mein Väterchen‘“, berichtete Elif Kubaşık. Der Sanitäter habe ihr dann gesagt, dass ihrem Mann in den Kopf geschossen worden sei.

Der Mord an Mehmet Kubaşık war der achte Mord des NSU. Obwohl 2006 vollkommen klar war, dass es zwischen den Opfern der Mordserie keine persönliche Verbindungen gab, richteten sich die Ermittlungen – wie zuvor schon bei den anderen Opfern der rassistischen Morde – gegen die Familie und das Umfeld des Ermordeten. Elif Kubaşık sagte bei ihrer Aussage im NSU-Untersuchungsausschuss Nordrhein-Westfalen, schon am ersten Tag nach dem Mord sei ihnen durch die Hausdurchsuchungen bei der Familie der „Stempel aufgedrückt“ worden: „Wir sind von der Mafia, wir sind in Drogengeschäfte verwickelt.“ Gamze Kubaşık sagte vor dem Ausschuss: „Die Polizei ist dafür verantwortlich, dass man uns jahrelang das Leben weggenommen hat. Vielleicht könnte ich verarbeiten: Ja, mein Vater ist nicht mehr da, das Leben geht weiter.“ Die Polizei aber habe jede Bewältigung des Ereignisses unmöglich gemacht. Denn „die ganze Nachbarschaft hat gesagt: ‘Dein Vater hat Drogen verkauft‘“.

Elif und Gamze Kubaşık kämpfen weiter für Aufklärung, für die Aufklärung des Neonazi-Netzwerks, das den Mord an ihrem Ehemann und Vater ermöglichte, und für die Aufklärung der Rolle von Verfassungsschutz und Polizei. Sie fordern, die Erinnerung an Mehmet Kubaşık aufrecht zu erhalten.

 

Zu NSU-Watch

Die rassistische Mordserie des »Nationalsoziaistischen Untergrunds« (NSU) markiert eine Zäsur in der bundesrepublikanischen Geschichte. Die Taten des NSU, sein Netzwerk und die Rolle der Behörden sind auch nach dem Ende des Münchener NSU-Strafprozesses längst nicht aufgeklärt.

NSU-Watch wird von einem Bündnis aus rund einem Dutzend antifaschistischer und antirassistischer Gruppen und Einzelpersonen aus dem ganzen Bundesgebiet getragen, die seit über einem Jahrzehnt zum Themenkomplex arbeiten.

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Asmae, DialoguePerspectives participant

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